Angeborene Herzfehler
Autoren: Astrid Schwerin und Prof. Dr. med. vet. Eberhard Trautvetter
Aus „Der Hund“ 01.99 mit freundlicher Genehmigung durch
„Deutscher Bauernverlag GmbH“, Berlin
In dem nachstehenden Beitrag werden die folgenden Themenbereiche erörtert:
- Angeborene Herzfehler
- Unterscheidung angeborene und erworbene Herzfehler
- Untersuchungsmethoden, Diagnose
- Aortenstenose
- Pulmonalstenose
- Ductus arteriosus Botalli
- Persistierender rechter Aortenbogen
- Kammerseptumdefekt
- Konsequenzen für die Zucht
- Ausbreitung verhindern
- Juristischer Sachverhalt
- Grafische Darstellung: gesundes Herz / mögliche Herzfehler
Auch wenn die weit überwiegende Zahl von Herzkrankheiten oder Herzfehlern im Laufe des Lebens erworben werden, spielen die angeborenen Herzkrankheiten in manchen Rassen, Zuchten, oder Familien eine erhebliche Rolle für die Gesundheit, die Weiterzucht oder den Gebrauchszweck eines Hundes. Angeborene Herzkrankheiten sind besonders beim Welpen nicht immer leicht zu erkennen. Schwer erkrankte Hunde bleiben in ihrer körperlichen Entwicklung zurück. Dies sollte für den Besitzer oder Züchter Anlass sein, eine gründliche tierärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen. Ergeben sich dabei Hinweise auf einen angeborenen Herzfehler, sollte ein Kleintierspezialist mit der Möglichkeit zur kardiologischen Spezialuntersuchung aufgesucht oder hinzugezogen werden. Danach sollte, je nach Schweregrad der angeborenen Herzkrankheit, über das weitere Vorgehen entschieden werden.
Angeboren oder erworben? (Siehe auch Definitionen)
Die Bezeichnung angeboren sagt zunächst noch nichts über die Ursache einer Herz- oder auch einer herznahen Gefäßanomalie aus. Sie könnte zum Beispiel durch eine Schädigung des fötalen Herzens während der Trächtigkeit bedingt sein. Tritt jedoch ein bestimmter Fehler gehäuft in einer Rasse oder Zuchtlinie auf, spricht dies immer für eine erbliche Komponente, also für eine genetische Veranlagung für einen bestimmten Herzfehler. Leider gibt es auch bei den sogenannten erworbenen Herzfehlern solche, für die in bestimmten Rassen eine Prädisposition, eine Anlage, vorhanden ist. Dies können zum Beispiel Herzklappenfehler sein, die sich erst im Verlauf des Lebens entwickeln und meist erst in höherem Alter entsprechende Beschwerden verursachen. Im strengen Sinne des Wortes können solche anlagebedingten Herzkrankheiten nicht als angeborene Herzkrankheiten gelten. Angeboren sind Herzfehler, die mehr oder minder ausgeprägt sein können, aber bereits unmittelbar nach der Geburt bestehen. In welchem Alter sie unmittelbar Beschwerden machen, hängt von der Art und Schwere des angeborenen Herzfehlers ab. Neben der bereits erwähnten Minderentwicklung können Atembeschwerden (Dyspnoe), Husten, mangelnde Belastbarkeit und eventuell Herzrhythmusstörungen mit Schwächeanfällen oder Kollaps auftreten.
Eine große Rolle spiet die gründliche Auskultation, das heißt das Abhören der Herztöne, da fast alle angeborenen Herzfahler Herzgeräusche verursachen. Die pathologischen Herzgeräusche können im Unterschied zu den normalen Herztönen mehr oder weniger typisch für eine bestimmte Krankheit sein. Das EKG und Röntgenaufnahmen des Brustkorbes gehören ebenfalls zu den Untersuchungen, die erforderlich sind, um einen angeborenen Herzfehler zu diagnostizieren. In Spezialpraxen oder Kliniken erlauben Ultraschalluntersuchungen des Herzens und andere weiterführende Untersuchungen eine Exaktheit in der klinischen Diagnostik, wie sie früher nur durch die Sektion möglich war. In der Abbildung 1 werden die normalen Verhältnisse am Herzen und die wesentlichen angeborenen Herzfehler dargestellt.
Schädigungen des Herzens können beim Hund zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen.
Oft sind sie irreparabel. Über Diagnose und die häufigsten angeborenen Herzfehler lesen Sie im Beitrag
unserer Autoren von der Klinik für kleine Haustiere an der Freien Universität Berlin, Fachbereich Veterinärmedizin
Die häufigste angeborene Herzkrankheit ist die Einengung der Hauptschlagader, die Aortenstenose sie tritt meist subvalvulär, das heißt kammerwärts vor den Aortenklappen, in Form eines bindegewebigen Ringes auf. Je nachdem wie eng und starr dieser Ring ist, behindert er die Pumpleistung der linken Hauptkammer wie ein Drosselventil. Die zweithäufigste angeborenen Herzanomalie ist die Pulmonalstenose. Bei dieser Erkrankung ist die Lungenarterie zumeist an den Arterienklappen selbst (valvulär) eingeengt und nur seltener kammerwärts der Lungenarterienklappen (subvalvulär), wiederum in der Gestalt eines bindegewebigen Ringes.
Wärend Aortenstenosen meistens bei Boxern, Deutschen Schäferhunden, Golden Retrievern und vor allem in den USA bei Neufundländern auftreten, sind Pulmonalstenosen bei Terriern (u.A. Foxterrier, Staffordshire Terrier, West Highland White Terrier), beim Cavalier King Charles Spaniel und beim Beagle vorherrschend.
An dritter Stelle der Häufigkeitsskala steht das Persistieren einer fötalen Gefäßverbindung zwischen Aorta und Lungenarterie, der sogenannte Ductus arteriosus Botalli. Normalerweise schließt sich dieser Ductus unmittelbar nach der Geburt, beginnend mit den ersten Atemzügen. Schließt sich der Duktus nicht, bedingt er eine schwere Volumenüberlastung der Lunge und der linken Herzhälfte. Frühe Beschwerden sind meist die Folge. Deutsche Schäferhunde, Pudel, Teckel und PON sind relativ häufig betroffen.
Eine weitere, jedoch nicht so häufige, angeborene Herzerkrankheit ist der persistierende rechte Aortenbogen. Hierbei entwickelt sich die Hauptschlagader statt aus dem vierten linken Kiemenbogen aus dem vierten rechten Kiemenbogen, was letztendlich zu einer Einengung der Speiseröhre oberhalb des Herzens durch hernahe Gefäße und ein bindegewebiges Band führt. Die von dieser Krankheit betroffenen Hunde, meistens Deutsche Schäferhunde, Collies, Irish Setter und Pudel, fallen frühestens nach dem Absetzen vom Muttertier auf, wenn sie das erste Mal feste Nahrung angeboten bekommen und diese vor der Einengung in der Speiseröhre liegen bleibt. Sind die Hunde als Welpen nicht auffällig geworden, werden sie später, bereits minderentwickelt im Vergleich zu den Wurfgeschwistern, beim Tierarzt vorgestellt, da sie direkt nach der Futteraufnahme dieses unverdaut wieder hervorbringen.
Eine unmittelbar unterhalb der Aorta (subaortal) gelegene Verbindung zwischen den beiden Hauptkammern – der Kammerseptumdefekt – zählt in unserem Patientengut zu den nächsthäufigen angeborenen Herzkrankheiten. Er kann in Verbindung mit anderen Anomalien als kombinierte Anomalie, zum Beispiel mit einer Pulmonalstenose, auftreten. Häufiger sehen wir jedoch den isolierten Kammerscheidewand-Defekt. Solche Septumdefekte treten auch auf der Vorhofebene auf (ASD). Diese Vorhofdefekte sind beim Hund im Gegensatz zum Menschenrelativ selten zu beobachten.
Die Konsequenzen angeborener Herzkrankheiten für die Zucht sollten am folgenden Beispiel verdeutlicht werden. Aus der Paarung zweier leicht- bis mittelgradig herzkranker Elterntiere waren von 12 Welpen drei Hunde schwer betroffenund starben im ersten Lebensjahr. Sieben weitere Tiere litten an einem mittelgradigen angeborenen Herzfehler. Lediglich zwei Welpen waren gesund.
Wegen der offensichtlichen und schweren Folgen für die erkrankten Hunde sollten von den Züchtern mindestens die Vorschriften und Empfehlungen des VDH oder ihrer Zuchtverbände befolgt werden, nachdem bekannt ist, dass Tiere aus ihrer Zucht an erblichen Krankheiten leiden. Da die Hundezucht nicht grundsätzlich reguliert ist, bedarf es in hohem Maße der Einsicht der beteiligten Vereine, Zuchtleiter und Züchter, um die Ausbreitung von erblichen Fehlern zu minimieren. Wir möchten hier nicht verschweigen, dass gerade die Diagnose und damit die Regulierung angeborener Herzfehler wegen der komplizierten Materie besondere Schwierigkeiten bereitet.
Diagnostiziert der Tierarzt eine angeborene Herzkrankheit, sollten sich Verkäufer und Käufer einvernehmlich einigen, beispielsweise durch einen finanziellen Ausgleich – die Kaufpreisminderung. Ist dies nicht möglich, besteht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch eine sechsmonatige Frist der Gegenpartei, also in der Regel gegenüber dem Verkäufer, den Sachverhalt darzulegen. Eine zivilrechtliche Klärung ist möglich. Eine rechtliche Klärung sollte jedoch reichlich überlegt sein, da die damit verbundenen finanziellen Belastungen für beide Parteien anfangs häufig schwer einzuschätzen sind.
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